21: Yonni Meyer

Dear Swiss people,

Wie sagt meine Mutter immer so schön: „Das Gegenteil von ‚gut‘ ist ‚gut gemeint‘.“ Recht hat sie.

Ich hab auch so eine tolle Weisheit: „Der ärgste Feind der Linken ist sie selbst.“

Beide dieser tiefgründigen Erkenntnisse treffen auf die Autorin des heutigen Steins des Anstosses zu:

Bloggerin Yonni Meyer von watson/kult/Huffington Post

Immer wieder stolpere ich über Beiträge von Frau Meyer und jedesmal spielt sich dasselbe Szenario ab:

1.) Ich stolpere über Titel wie „Papa ist super. Papa auch.“oder „Ihr Bauch gehört ihr.“ oder Bilder mit Regenbogenfahnen und tags wie „Feminismus“ und klicke reflexartig drauf.

2.) Ich lese den Artikel in freudiger Erwartung der bitternötigen Thematisierung eines mir am Herzen liegenden Problems.

3.) Ich verzweifle an Meyers schwacher Rhetorik, ihren unsinnigen Argumente und den völlig verfehlten Schlussfolgerungen.

4.) Ich lese die fürchterlichen Kommentare und beschliesse dankbar zu sein, dass sie es wenigstens probiert. Wenn auch nicht sehr gut.

Ich habe es versucht. Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, Meyers generell anständige Meinungen höher zu werten als ihre völlig unhaltbare Argumentation. Einen absurden Artikel nach dem anderen habe ich wortlos ertragen, aus reiner Dankbarkeit dafür, dass sich jemand dieser Themen annimmt.

Ode an das Weibchen

Ich habe zum Beispiel nicht geschimpft, als sie vor ein paar Wochen ihren Feminismus damit begründete, dass Frauen halt so toll sind und damit hauptsächlich eine bestimmte Art von Genderperformanz (femme) und das Vorhandensein gewisser reproduktiver Organe meinte:

Wir riechen aber auch gut und wir haben zarte Haut, vor allem an den Wangen. Und wir haben schöne (lange) Haare und auch die riechen gut – nach Blumen und Früchten.

Und wir menstruieren und drücken beim Gebären etwas von der Grösse einer Melone aus einem Loch, das so gross ist wie eine Erdnuss.

Yonni, meine Liebe, ich darf ich dich doch Yonni nennen? Das ist wirklich bescheuert. Auch wenn du dich hier zur „Kampfemanze oder Amok-Feminstin“ aufzuschwingen versuchst, ist dein Umsetzung dieser hehren Prinzipien im besten Fall mangelhaft. Es ist nicht revolutionär, Frauen wegen ihrer weichen Haut und ihrer Gebärfreudigkeit zu preisen. Das kann die Rechte schon mega gut alleine. Sag mal lieber was über Frauen mit Akne und Narben, mit kurzen Haaren, glattrasierten Köpfen, die nie wirklich rausgefunden haben, wie man das macht, immer nach tropischen Früchten zu riechen. Und „wir“ menstruieren? Das tun manche Transmänner auch, manche Transfrauen dafür nicht und auch bei Cismenschen gibt’s da allerlei Zeug, das einen von diesem Merkmal der Gebärfähigkeit abhalten kann. Die Kategorie „Frau“ am monatlichen Bluten festzumachen ist so eine plumpe Form von Essentialismus, die mehr Leute ausschliesst als ermächtigt.

Ich habe es zuvor gesagt und werde es sicher noch tausend Mal sagen: Frauen zu lieben, zu verehren, zu bewundern ist nicht gleichbedeutend mit Feminismus. Eine bestimmte Art von Frausein zu propagieren ist nicht Feminismus. Frausein mit einer bestimmten körperlichen Ausprägung gleichzusetzen ist auch nicht Feminismus. Und zu schreiben, dass man lange Haare und gutriechende Menschen mag, macht einen ganz sicher nicht zu einer „Kampfemanze“.

Aber darum geht es heute eigentlich nicht. Der neuste Beitrag von YM passt nämlich nicht ganz in die Reihe, da hier schon anhand der Schlagzeile das drohende Übel abzulesen war:

oh oooooh....

oh oooooh….

Im Wesentlichen versucht Meyer auszudrücken, dass man Leute nicht zu schnell verurteilen sollte, dass Rechte genauso vielschichtig sind wie Linke und dass es ihr leid tut, wenn sie irgendwelchen Faschos mit Herz aus Gold jemals Unrecht getan hat.

Here’s the thing: Meyers Beispiel vom „total homofreundlichen SVPler“ ist haarsträubender Unsinn. Wie wir ja schon gesehen haben, garantiert einem Schwulsein genauso wenig Heiligenstatus wie Frausein. Leider heilt einen die Zugehörigkeit zu einer Diskriminierungsgruppe nicht von Vorurteilen gegen andere. Ein schwuler SVP-ler reisst daher beispielsweise nichts raus. Dasselbe gilt für Leute, die nichts gegen Schwule oder Frauen haben. Es gibt keinen Goldstern dafür, dass man persönlich nichts gegen Schwule hat, wenn man Mitglied einer Partei ist, die Homosexuellen konsequent die Existenzberechtigung abspricht.

Yonni Meyer behauptet, es gäbe ja unter Linken genauso Extreme, die etwa alle Polizisten alle über einen Kamm scheren und als Schweine bezeichnen. Und das wäre ja praktisch dasselbe wie bei den Rechten. Dazu sage ich Schwachsinn. Abscheu gegen Polizisten ist Aufbegehren gegen die Autoritäten, gegen die Machthaber. Das ist nicht einmal ansatzweise vergleichbar mit der Verachtung, die Parteien wie die SVP schutzbedürftigen Minderheiten wie Migranten, Homosexuellen und Frauen entgegenbringen. Ein weiteres Highlight:

Das Gleiche gilt auf der anderen Seite der politischen Mitte, wo ein Herr einerseits Schwarzarbeiter verteufelt, jedoch seine eigene Haushaltshilfe dann unter dem Tisch bezahlt. Die fand also irgendwie ihren Weg aus der Ausschaffungsschublade.

Diese Art von Logik, die etwa dem „Ich hasse alle Türken, aber mein Gemüsehändler ist ein sehr netter Mann“-Topos entspricht, ist wirklich unterirdisch. Es ist kein Zeichen von Menschlichkeit oder Charakterstärke, wenn ein „Herr“ sich nicht zu schade ist, Schwarzarbeiter auszubeuten. Es ist kein Pluspunkt für ihn, dass er eine spezifische Ausländerin nicht ausschaffen lassen will.

Mit einem hat Meyer natürlich recht: Auch die Linke muss sich selbst kritisch betrachten. Und damit fange ich gerne direkt an und zwar bei Meyer persönlich.

Liebe Frau Meyer, liebe Yonni,

Dieses Gutmenschentum im Bezug auf Rechtskonservative richtet mehr Schaden an, als es verhindert. Dass Menschen Heuchler sein können ist altbekannt. Ein Schwuler SVP-ler mit Lebenspartner aus Sri Lanka ist immer noch Teil einer Vereinigung, die systematisch und unbarmherzig Ausländern, Homosexuellen und Frauen schadet. Und solche kaum durchdachten und schlecht ausgeführten Beiträge zu essentiellen Themen wie etwa Feminismus machen dich nicht zur „Kampfemanze“. Es geht nicht an, dass du dich mit diesem Label brüstest und dabei eigentlich der Sache schadest, da du mit dieser lückenhaften Argumentation der Rechten praktisch in die Hände spielst.

Die richtigen Worte zu finden ist nicht immer leicht. Allein sich als Frau zu identifizieren und feminstische Standpunkte zu teilen macht einen noch lange nicht zu einer überzeugenden Wortführerin. Es ist nötig, sich genauer über den momentanen Diskurs zu informieren, sich das entsprechende Vokabular anzueignen und stets kritisch die eigenen Überzeugungen zu hinterfragen. Es ist durchaus möglich, das Richtige zu meinen, aber das Falsche zu sagen.

Liebe Grüsse

Eine privilegierte Immigrantin

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Das zu lernen ist harte Arbeit. Es gibt glücklicherweise im Internet beeindruckende SchreiberInnen und RednerInnen, die aufgrund ihrer jahrelangen Erfahrungen ExpertenInnen darin sind, diese Dinge einem geneigten oder nicht so geneigten Publikum zu erklären.

Für alle Interessierten hier ein paar Links:

http://feministing.com/ Eine super Seite für News mit vielen verschiedenen Schreiberlingen.

http://laurie-penny.com/blog/ Laurie Penny ist einer der beeindruckendsten und witzigsten Schreiberinnen dieser Zeit.

http://misandry-mermaid.tumblr.com/ Ein unterhaltsamer tumblr zum intersektionellem Feminismus.

https://www.youtube.com/watch?v=f49xeXdFSgc (Eins meiner Lieblingsvideos vom Channel von Anna Akana. Genial!)

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