19: Mannschaft bei watson

Dear Swiss people,

Im Zuge der allgemeinen Buzzfeed-isierung des Internets schmeisst watson ja gerne mal mit Listicles um sich, gerne auch in Form von Zuschriften. Diesmal gibt’s einen tollen Beitrag von „Mannschaft“, dem „Magazin für schwule Männer“:

Mannschaft watson

In diesem wohl spassig gedachten Beitrag wird klar, was für die lieben Leutchen der Mannschaft der Hauptvorteil vom Schwulsein ist: Keine Weiber. Hier eine Auswahl der „Gründe“:

6. Du musst im Ausgang nicht immer bezahlen.

7. Es kann dir niemand ein Kind anhängen.

11. Du darfst beim ersten Date Sex haben.

12. Du merkst es, wenn dir jemand einen Orgasmus vorspielt.

14. Im Bett gibt es keine klare Rollenverteilung.

Haahahahaha, checksch – Du musst nicht bezahlen, weil Männer Geld haben und sich dann abwechseln können. Nicht wie die golddigging bitches, von denen man immer so hört.

Und „jemandem ein Kind anhängen“ ist ja überhaupt kein widerlicher Ausdruck. Frauen rennen halt dauernd rum und versuchen, Männern Bälger unterzujubeln. Craaaazy. Männer hingegen haben noch nie versucht, Frauen zu schwängern oder ihre Verhütung zu sabotieren. NIE. Die sind absolute Vorbilder in gewissenhafter Verhütung. Und kommt mir nicht „Das könnte ja auch einen Mann meinen, der einer Frau das Kind anhängen will.“ Sorry, aber die Formulierung wird ganz sicher nicht mal annähernd so häufig für Männer benutzt. Etwa so wie Friendzoning auch grundsätzlich nicht vom Sex ablehnenden Mann ausgeht. Man muss so Ausdrücke schon in ihrem Gebrauch betrachten. Wieso nicht: „Du musst dir keine Sorgen um ungewollte Schwangerschaften machen“? Das wäre um einiges weniger abstossend formuliert.

Und: „Du darfst beim ersten Date Sex haben“?!? Ahja, klar, weil Frauen ja immer Sex verweigern. So hobbymässig. Oder halt nicht dürfen, damit sie keine Schlampen sind. Süss. Und dann spielen die einem immer Orgasmen vor. Einfach weil sie es können. Und die dummen hetero-Männer merken ja nix. Ist. ja. witzig.

Wen wundert’s schon, dass bei Heten Orgasmen vorgespielt werden müssen, weil die schliesslich klare Rollenverteilungen haben. Frau unten und rührt sich nicht, weiss man ja.

Am schlimmsten für meinen Blutdruck ist allerdings dieser Kommentar des Mannschaft-Teams in den Kommentaren:

Mannschaftkommentar

Aber natürlich darf man über sich lachen! Dumm nur, dass ihr das nicht macht, meine Lieben!

Und nein, ich meine das nicht, weil ich wie einige der anderen Leser an „Heterophobie“ glaube. Das ist natürlich haarsträubender Unsinn und genauso logisch wie reverse sexism oder reverse racism. Diskriminierung hängt von Machtstrukturen ab und kann nicht einfach in beide Richtungen laufen. Mein Punkt ist nicht, dass hier Heteros verspottet werden, sondern, dass hauptsächlich Frauen verspottet werden. Nur ein paar der Punkte befassen sich mit den Problemen von heteronormativer Maskulinität und einer davon klingt sogar ziemlich transphobisch:

5. Im Gegensatz zu Heteros erkennst du Ladyboys, bevor du mit ihnen ins Bett gehst.

Abgesehen davon, dass „Ladyboy“ eine hypersexualisierte und nicht grade respektvolle Bezeichnung für Leute ist, die sich als transgender oder nicht-binär identifizieren, fragt euch doch echt mal: Wer ist hier die Punchline? Hetero-Männer, weil sie nix merken, oder doch eher die „Ladyboys“, weil die ja schliesslich so tun, als wären sie Frauen und so manchen armen Tropf reinlegen? Dasselbe gilt für die frauenfeindlichen Teile des „Artikels“: Es ist nicht „über sich selbst lachen“, wenn andere schutzbedürftige Gruppen der Witz sind.

Das Problem ist nicht neu und auch nicht originell. Schwule Männer können genau so gut sexistisch sein, wie Frauen rassistisch oder Schwarze transphobisch. Und gerade Frauen tragen ihre internalisierte Diskriminierung auch gerne in die Welt und sichern so deren Weiterleben, indem sie anderen Frauen alles andere als solidarisch gegenüberstehen, siehe Michele Binswanger oder Simone Meier.

Leider bedeutet die Sensibilisierung für Ungleichheit in einem Bereich des Lebens keine automatische Erleuchtung in allen Bereich; schön wär’s. Das macht das Leben gerade so problematisch: Einerseits ist es absolut zu begrüssen, dass eine Publikation wie Mannschaft eine solche Präsenz hat und sich aktiv in den Medien äussert. Und klar, Spass muss sein. Aber der Spass hört da auf, wo billige Witze benutzt werden, um andere klein zu machen.

Alles in allem ein scheusslicher Ausfall von Mannschaft und watson.

5 Kommentare

  1. […] wendet man sich auf der Suche nach hochwertiger Schweizer Berichterstattung? watson hält sich für einen Mix aus Buzzfeed und vice (schön wär’s), der Tagi ist eindeutig vom […]

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  2. fauler_student · · Antworten

    Ein meiner Meinung nach pointierter und scharfzüngiger Artikel, sehr unterhaltsam geschrieben! Weiter so!

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  3. […] thing: Meyers Beispiel vom “total homofreundlichen SVPler” ist haarsträubender Unsinn. Wie wir ja schon gesehen haben, garantiert einem Schwulsein genauso wenig Heiligenstatus wie Frausein. Leider heilt einen die […]

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  4. […] doch recht häufig mit Männern Kinder haben, die also doch auch irgendwie daran beteiligt sind. (Wahrscheinlich wurden ihnen die Bälger eh untergejubelt. Jaja.) Nef argumentiert, dass Frauen, wenn sie halt unbedingt Kinder wollen, was durchaus […]

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