31: Stefanie Heinzmann – Inzestopfer oder einfach nur dumm?

Dear Swiss people,

Heinzmann

Das ist ein neuer Beitrag der NZZ am Sonntag, geschrieben von Claudia Schumacher. Claudia Schumacher ist allem Anschein nach von allen guten Geistern verlassen worden. Mit etwas Optimismus könnte man sich bei dieser eigentlich schon recht eindeutigen Überschrift vielleicht noch denken: „Ah, Geschwisterliebe. Vielleicht haben die sich gestritten oder so und Schumacher findet das gemein dem Bruder gegenüber.“ Zynischere Gemüte kommen vielleicht etwas schneller auf die Inzestschiene, zweifeln aber wohl auch erstmal daran, dass irgendjemand auf die Idee käme, sowas durchgehen zu lassen.

Denn darum geht es Frau Schumacher allen Ernstes: Um die Frage, ob Stefanie Heinzmann etwa tatsächlich inzestuöse Gefühle für ihren Bruder hegt oder vielleicht doch einfach nur zu dumm ist, um sich gegen dessen Einflussnahme zur Wehr zu setzen.

Echt jetzt.

Dafür hängt sich Schumacher an einem Interviewausschnitt vor, in dem Heinzmann ihren Traumann als bärtig, langhaarig und tattoowiert beschreibt. Darauf machte «joiz»-Moderatorin Gülsha Adilji anscheinend den unglaublich kreativen Witz: „Mir macht das etwas Angst. Bist du verliebt in deinen Bruder?“ Jup, eindeutig überführt. Abgesehen davon, dass man in der Musiker-/Künstler-/Hipsterszene mit jedem Steinwurf wohl 12 Männer treffen könnte, auf die diese Beschreibung ebenfalls haargenau passt.

Schumacher geht der Sache trotzdem mit voller journalistischer Integrität nach:

Stefanie Heinzmann, das Stimmtalent, festgeklebt in einem inzestuösen Walliser Filz? Durch emotionale Abhängigkeit an ein Niveau gebunden, das eigentlich nicht ihres ist, wie von Rohr sagt? Ja, warum sieht man sie eigentlich nie mit einem anderen Mann als dem Bruder in der Öffentlichkeit?

Bitte? „Inzestuöser Walliser Filz“? Gehört da Blutschande zum Exportprodukt oder was? Aber keine Sorge, wirklich glaubt die Autorin natürlich nicht daran.

So ein Inzestvorwurf ist natürlich Schwachsinn.

Ah, puh. Wollte mich schon sorgen.

Aber es wäre doch beruhigend in dem Zusammenhang, wenn die beiden wenigstens einmal eine vorzeigbare Liebesbeziehung hätten.

Verdammt. Also doch irre. Beruhigend für wen, bitte? Für Leute, die stundenlang wach liegen und sich über das Sexleben von Stefanie Heinzmann und ihrem Bruder sorgen? Für die ganzen Hobby-Detektive, die es verdächtig finden, dass Heinzmann auf Hipster steht und ihr Bruder einer ist? Für die innere Ruhe eben dieser (imaginären) Leute geht Schumacher der Sache nach und fragt den Bruder, ob irgendeine random Blondine, die ihm mal ne Jacke gereicht hat, womöglich seine Freundin wäre.

„Nein!“, sagt Claudio vehement, als hätte man ihn bei etwas ertappt. „Nein, nein. Das ist nur eine gute Freundin.“

AHA! Jetzt ist der Fall natürlich klar. Aber das waren natürlich nicht alle Hinweise auf die skandalöse Beziehung!

Wenn sich Claudio an seine sieben Jahre jüngere Schwester wendet, ist die Stimme ganz Butter und ganz bei ihr. Sie will während der Proben noch Texte lernen? Ok, aber klar. Er holt gleich den Laptop aus der Garderobe, den sie dazu braucht.

Was denkt sich der Mann? Der soll seine erwachsene Schwester gefälligst anschnauzen. „Hol dir deinen Laptop doch selber, du dumme Kuh!“ und Stefanie sollte ihren Bruder und Manager nicht um Sachen bitten, sondern lieber anfangen zu heulen „DU BIST SO GEMEIN! ICH SAGS MAMA.“ Langsam hab ich den Eindruck, dass Schumacher sich mit erwachsenen Geschwistern nicht besonders gut auskennt, wenn sie sich schon an sowas stösst. Aber das war ja noch längst nicht alles! Die Anzeichen sind nicht von der Hand zu weisen:

Das geht so weit, dass sie ihrem Bruder ein Liebeslied auf dem jüngsten Album gewidmet hat. Es heisst «Thank you» und ist so romantisch, dass es wohl dem einen oder anderen Ehemann zu viel wäre.

Ein Liebeslied, ja? Sind wir wirklich schon dermassen paranoid, dass wir ein Lied, indem sich eine Frau bei jemandem für seine Freundschaft bedankt, unbedingt auf romantische Liebe reduzieren müssen? Sehr weit hergeholt, Frau Schumacher.

Und als wäre da eine physische Verbindung zwischen den beiden, kann man zusehen, wie sich Stefanies Stimmung langsam, aber sicher vom negativen in den positiven Bereich bewegt

„Physische Verbindung“, hmm? Aber wir wollen ja nichts unterstellen, was?

Aber mal abgesehen von dem verleumderischen Inzestgeschwafel, bei dem es sich mich schon sehr wundern würde, wenn das keine Klage nach sich zöge, findet Schumacher freundlicherweise noch die Zeit, Stefanie Heinzmann als dumm, unselbstständig und naiv darzustellen.

  • «Claudio?», beginnt sie die Bitte wie ein Küken, das trotz Schüchternheit dringend etwas will und braucht.
  •  Und während sie das sagt, guckt sie so, als hätte sie echt keine Ahnung. Kinderkulleraugen.
  • Ein kleines, weisses Mädchen, das schüchtern kichert. Bis sie den Mund aufmacht und die Stimme einer dicken Afroamerikanerin herauskommt, die in ihrem Leben schon viel gesehen hat und Whisky und Zigaretten mag.
  •  In der Phantasiewelt ihrer Lieder ist Stefanie Heinzmann eine extrem taffe Frau. In der Realität ganz offensichtlich nicht.
  • «Strassenköterbraun», sagt sie und macht sich dabei, was nicht selten vorkommt, selbst mies. Macht man ihr darauf hin ein Kompliment, legt sie noch einen drauf: «Nein, ehrlich, total langweilig und aschig sind meine Haare von Natur aus. Quasi gar keine Farbe.» Und sie kichert, als lästere sie eigentlich über eine andere Frau.

Wie Schumacher auf die Idee kommt, dass kritische Kommentare etwas sind, was man über „andere Frauen“ sagt, ist wohl offensichtlich. Schliesslich lästert sie selbst sehr gerne und wird dafür sogar noch bezahlt. Was sie allerdings davon hat, derartig gehässig über Heinzmann herzuziehen, bleibt ein Rätsel.

Ach Gottchen, Heinzmann ist also keine „extrem taffe Frau“. Na und? Wem bitte schuldet sie es, taff zu sein? Und woran merkt man sowas überhaupt? Sie findet ihre natürliche Haarfarbe nicht toll. Sie hat grosse Augen und spricht in einer höflichen Stimme, wenn sie Leute um etwas bittet. Was für ein Skandal.

Stefanie Heinzmann hat ein enormes stimmliches Talent und nutzt das. Ob dabei ihre Bühnenpersönlichkeit und der Inhalt ihrer Songtexte 1:1 mit ihrem privaten Gemüt übereinstimmen, geht erstmal niemanden etwas an und ist zweitens absolut irrelevant. Und anstatt dass man sich freut, dass hier Familienmitglieder zusammenarbeiten, ohne dass der berühmte Teil ausgebeutet und bis zur äussersten Erschöpfung getrieben wird, verbreitet also eine sogenannte Journalisten völlig haltlose Gerüchte, an die sie natürlich nicht glaubt (aber man wird ja wohl noch fragen dürfen).

Dieser Beitrag ist wirklich die billigste Form von Boulevardjournalismus und einer solchen Publikation nicht würdig.

Stay classy, NZZ!

9 Kommentare

  1. Voll schön, der Artikel. Also der von der NZZ.

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    1. Voll infam, der Artikel. Also der von der NZZ.

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      1. Voll undifferenziert, der Kommentar. Also unserer.

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  2. Peter Garcia · · Antworten

    Guter Artikel. Gemeinsam kommt man weiter, gerade zwischen Frauen und Männern kann sehr viel Energie und Kreativität entstehen, sei es in der Familie, in einer Freundschaft oder auch in einer romantischen Beziehung. Das beinhaltet auch Respekt, freundlich sein und bis zu einem gewissen Grad auch gegenseitige Abhängigkeit. Warum auch nicht? Untertreibungen sind genauso schlecht wie Übertreibungen. Claudio und Stephanie sind normal – der Rest der Gesellschaft hingegen nicht unbedingt. Der Beitrag der von der heutigen Erziehung so stark forcierten und glorifizierten „taffen (sprich: egozentrischen) Mädels“ zur Gesellschaft ist im Endeffekt nur Lieblosigkeit, Kälte und Hass. Mehr bleibt da nicht übrig.

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  3. […] 31: Stefanie Heinzmann – Inzestopfer oder einfach nur dumm?. […]

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  4. kalanchoe · · Antworten

    Vor allem dieser zwang UNBEDINGT durch ne(hetero)beziehung beweisen zu müssen, dass sie dochwohl NORMAAAAL ist.
    Ein vorwurf den ihr also irgendeine amorale schlagzeilenklopferin untergeschoben hat-
    ‚Beweise dass du nicht so bist wie ich dich hier hinstelle..‘

    Und die schei♣e wird sie ewig an sich kleben haben, immer schön bei leuten im hinterkopf.
    (Das Hirn speichert begriffe in gruppen, selbst wenn die worte keine verbindung haben. Wenn ich also oft genug NZZ & amorale scheiße zusammen lese speichert mein hirn beides und ruft bei erkennung des wortes NZZ immer auch „amorale schei♣e“ auf-unbewusst. Das wissen journos auch..)

    In 5 jahren in nem gespräch „heinzmann? Samma, war das nich dieeeeee, die ihren Bruder etwas zu toll fand? Stand das nich irgendwo inner zeitung?“ -“ Wie, was is mit der?“ „Naja die NZZ schrieb sie stünd auf den, echt!“ „Nein?“ „Doch!“ „Oooh!“

    Und das weil die artikelschreibse ihren Kopf im gutter hat und nichtnur MUTWILLIG
    (imho auch BÖSWILLIG, mir kann keiner sagen ein INZESTVORWURF ist nich bös gemeint! Dazu kommt die ganze infantilisierung die sehr klar zeigt dass der artikelschreiber null respekt vor der person hatte, nichtmal genug um ihr DAS GRUNDMAß an Höflichkeit und respekt zukommen zu lassen..)

    Die NZZ versucht also, den ruf einer Frau auf ekelhafteste für ihre eigene verbreitung zu zerstören und muss dazu AUCH NOCH gleichzeitig wieder diese kackonzept von normalität festigen
    Normal heisst hier türlich hetero und in einer Berziehung. Asexuelle Leute existieren wohl nicht.
    Dazu ihre implizite Annahme, dass die frau dochwohl(gefälligst) in ne beziehung gehört(weil das is halt so)schon um die geplante charakterassasination zu vereiteln( was stellen die sich vor? „Seht ich bin normal und f♥ck irgendnen hans so wie ihrs für richtig haltet, könnt ihr eure schei♣gerüchte jetzt stoppen??“)

    Ekelhaft..Das nichtnur Schei♣e(inzestunterstellung)sondern hat auchnoch nebeneffekte z.B sich rechtferigen müssen für solo sein, infantilisierung land und weltweit
    und das Signal an andere Frauen damit zu rechnen, dass ALLES überwacht und gegen sie gesponnen werden kann weil zeitungen scheinbar keine menschen mehr beschäftigen sondern amorale charaktermörder die losgelassen werden wie bluthunde, wenn grad die leserzahlen tief sind)

    und glückliche singles?gibts nich, vor allem wenn die beziehungsforderung als einziger weg aufgezeigt wird, sich vor diesem rufmord zu schützen.

    Einfach ekelhaft. Solche menschen machen allen anderen das leben schwer oder schlimmeres. Moralisch ganz tief unten.

    Noch schlimmer ist offenbar, dass kein mensch kontrolliert ob das ganze ok ist…publikums perverser voyeurismus in anderer leute leben VS IST DER SCHEIß RELEVANT?

    Bei „ich denk, aeh, die f♡ckt ihrn bruda, weil die hat kein mann(wies sich gehört für fraun, jawoll) und mag ihn mehr als ich meine geschwista(warum wohl) ausserdem bestimme ich mit wenigen blicken:die is unreif→wird kontrolliert weil isso“

    ein GUTER chef hätte NEIN gesagt..

    Aber vll wollen die das unheilige kind der sun mit der bild werden..wennja:guter anfang, sexismus steht, rassismus fehlt aber noch.

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  5. Jesses Maria, joa will denn die Claudia den Claudio lieber ganz für sich haben?

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  6. […] dem total nicht imaginären Inzest-Skandal des Jahrtausends diesmal etwas leichtere […]

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  7. […] ein Goldstück der NZZ am Sonntag. Top-Journalisten Claudia Schumacher, bekannt aus dem Heinzmann-Inzest-Skandal, widmet sich diesmal dem Thema Feminismus. Schumacher gräbt dafür wieder die Artikel von Ronja […]

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