30: Sensibilitätstraining für Transphobiker

Dear Swiss people,

Wir müssen reden. Und zwar über den Umgang mit Transgender-Themen. Naja, eigentlich nicht wir. Eigentlich müsste einfach mal jemand mit watson-Redakteurin Simone Meier reden. Da sich aber anscheinend niemand dieser Sache annimmt, sehe ich mich da grad mal berufen, das zu übernehmen.

Frau Meier, die uns ja schon bekannt ist aufgrund ihren abscheulichen Äusserungen zum Thema Weltfrauentag und „Germany’s Next Topschlampe“, hat neben Slutshaming offenbar noch ein anderes Hobby: casual transphobia.

Zunächst fiel mir diese Schlagzeile ins Auge, die mich derart aufgeregte, dass ich mir erstmal einen Account zum Kommentieren erstellen musste:

TranseComment watson

Beim Runterscrollen stiess ich dann auf einen weiteren Beitrag von Meier und dachte mir, bei deren Feingefühl sollte man da doch einen Blick drauf werfen.

Bildschirmfoto 2015-05-05 um 19.28.13

Und siehe da…

Ignorieren wir mal, dass Frau Meier sich nicht schämt, Paris Hilton mit dem 11. September zu vergleichen („Paris Hilton war die frivole Kehrseite des Turmfalls von New York.“). Oder dass sie anscheinend nicht weiss, was das Wort „Einfalt“ bedeutet („Aber im Gegensatz zur ethnischen Einfalt einer Paris Hilton taugt die Aura von Kim und Kanye für eine zukunftssichernde globale Celebrity-Fankultur natürlich viel mehr.“). Ich bin da heute mal grosszügig.

Was ich aber keinesfalls durchgehen lasse, sind die Bemerkungen über Bruce Jenner. Für Frau Meier liegt der Kern der Berühmtheit der Kardashians darin, dass sie ihre Körper einsetzen, um relevant zu bleiben. So zählt sie zunächst Kims und Kylies vermeintliche Schönheitsoperationen auf, um dann zu Bruce zu kommen:

Und natürlich ist da Bruce Jenner, der sich auf dem Höhepunkt der Kardashian-Mania, im grösstmöglichen Paparazzi-Gewitter also, endlich seinen Herzenswunsch erfüllt und zur Frau wird. Und damit dem Clan gleich noch die Zuneigung der ganzen Trans-Gemeinde sichert. Smarter, breiter und cooler kann man sich seine Anhängerschaft tatsächlich nicht zusammenzimmern.

Also jetzt mal ganz ruhig, bevor ich hier anfange, Gift und Galle zu spucken.

1.) Die Formulierung „zur Frau wird“ ist unangebracht. Transmenschen „werden“ nicht zu Frauen oder Männern. Sie sind es. Das wäre der verdammte Punkt der ganzen Sache. Bruce Jenner ist eine Frau. Der „Herzenswunsch“ bestünde allenfalls darin, sich öffentlich auch dazu zu bekennen und mit der Hormontheraphie weiterzumachen, eventuell operative Unterstützung in Betracht zu ziehen.

2.) Wenn man schon sagt, dass jemand „zur Frau wird“, wäre ein Pronomenwechseln angebracht.

3.) Die Unterstellung, Jenner hätte sich jetzt zu diesem Schritt entschieden, um sich bei der Trans-Gemeinschaft einzuschleimen und der Familie Aufmerksamkeit zu verschaffen, ist eine unglaubliche Unverschämtheit. Jenner ist 65 Jahre alt und hat darüber gesprochen, wie sehr das Geheimnis auch die Beziehung zu Ehefrau und Kinder erschwert hat. Soll das alles zu einem raffinierten Plan gehören? Denkt Meier tatsächlich, dass sich Jenner bewusst dazu entschieden hat, so lange zu warten, falls seine Stieftochter irgendwann mal berühmt wird? Jenners eigene Berühmtheit aufgrund der Leichtathletikkarriere hätte schon Jahrzehnte vorher Anlass für eine solche Aktion geliefert.

4.) Abgesehen von dem völlig verfehlten herablassenden Tonfall, den Meier gegenüber den Schönheitsoperationen von Kim und Kylie anschlägt, ist es an sich schon eine Unverschämtheit, den Transitionsprozess von Transmenschen mit kosmetischen Eingriffen zu vergleichen.

Natürlich ist dieser abscheuliche Beitrag hauptsächlich dem mangelnden Anstand von Simone Meier zu verdanken. Allerdings ist es schon auffällig, dass sich kein Protest feststellen lässt. Keiner der Kommentarschreiberlinge stösst sich an diesen extrem transphobischen und verächtlichen Bemerkungen. Lieber wird über die beschriebenen Personen gespöttelt. Genau deshalb ist Transphobie unser aller Problem. Solange es sein kann, dass ein bekanntes Online-Portal es völlig in Ordnung findet, so etwas zu veröffentlichen, müssen wir alle wachsam sein und die Augen offen halten. Und vor allem Einspruch erheben. Gerade Cismenschen sind hier in der Pflicht, sich gegen Angriffe auch verbaler Natur einzusetzen, da wir uns dabei nicht exponieren und gefährden. Es kann nicht den Betroffenen überlassen werden, sich vor solchen Abscheulichkeiten zu beschützen.

Solidarität ist wichtig. Ob auf der Strasse oder im Netz.

2 Kommentare

  1. […] zu abgestoßen an der Menge Gülle, die über die arme Frau ausgegossen wird. Aber dank dem Blog “Dear Swiss People” hab ich einen Aufhänger und der ist durchaus positiv. Bruce Jenner ist transgender. Und sie hat […]

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  2. […] Wir wissen ja mittlerweile, was Watson-Redaktorin Simone Meier von ihren Geschlechtsgenossinnen hält (nicht viel) und wie souverän und sensibel sie mit LGBTQIA-Themen umgeht (not). […]

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