Dear Swiss people,
Oooooh, fängt der Tag wieder mal gut an.
Wir wissen ja mittlerweile, was Watson-Redaktorin Simone Meier von ihren Geschlechtsgenossinnen hält (nicht viel) und wie souverän und sensibel sie mit LGBTQIA-Themen umgeht (not).
Diesmal hat die Gute es geschafft, zwei Fliegen auf einen Streich zu erlegen, und zwar mit diesem Meisterwerk journalistischer Integrität:
Wem jetzt schon das Würgen kommt: Fürchtet euch nicht! Natürlich meint die Frau Meier das gar nicht so. Sie behandelt das nämlich kritisch!
Meier „berichtet“ über das Phänomen von sogenannten Skirt-Parties; Sexparties für gutaussehende bisexuelle Frauen, die sich einer Beziehung mit einem Mann befinden, aber ihre gleichgeschlechtlichen Neigungen in diesem Rahmen ausleben wollen.
Aber sind diese Weiber überhaupt bisexuell? Oder machen die das nur, weil’s grad cool ist, wie Kale und Crossfit?
Anstatt sich nämlich mit den sehr unangenehmen oberflächlichen Auswahlkriterien der Teilnehmerinnen dieser Partys genauer zu befassen, hat sich Meier mal kurz eigenhändig zur Bi-Polizei ernannt und ermittelt, warum Frauen, die ja sonst mit Männern schlafen, sich auf sowas einlassen. So spottet sie verächtlich über die Organisatorin:
Und Geneviève war «bi-curious», also neugierig auf eine bisexuelle Erfahrung, also das, was heute alle Frauen sagen müssen, wenn sie nicht als total rückständig und verklemmt gelten wollen.
?????? Wer sagt das? Mal im Ernst. Weeeeer ausserhalb irgendwelcher schlüpfrigen Filmchen behauptet bitte allen Ernstes, an Frauen interessiert zu sein, um interessanter zu wirken? Klingt eher wie die böswillige Unterstellung schmollender Männer oder verächtlicher Frauen.
Auch über die Teilnehmerinnen äussert sich Meier natürlich nicht schmeichelhafter:
Frauen, die Skirt-Club-Parties besuchen, tun dies wegen angesagten Vorbildern wie Miley Cyrus, Cara Delevingne, Kristen Stewart und «Orange Is the New Black». Nicht aus Neigung, sondern aus Neugier, weil sie mitreden und Coolness-Statuspunkte sammeln wollen.
Genau so isses. Sexualität dreht sich grundsätzlich nur um Coolness. Ich mache generell immer nur das, was ich im Fernsehen sehe. Es ist wirklich ein Wunder, dass ich nach all den Jahren Will & Grace, Queer as Folk, The New Normal usw. noch immer nicht versucht habe, ein schwuler Mann zu sein. Das ist sicher meine innerliche moralische Stärke.
Ich hab keine Ahnung, ob Meier irgendwie zuviel Faking It geguckt hat, aber irgendwwas muss sie gebissen haben. (Anmerkung: Faking It ist eine Sendung, die an einer fiktiven High School spielt, wo nur potenzieller Aussenseiter-Status cool macht und zwei Freundinnen sich daher als lesbisches Paar ausgeben.)
Jedenfalls scheint sie der völlig absurden Annahme verfallen, dass Frauen nur um „cool“ zu sein mit anderen Frauen rummachen, nur, um dass das dann in keiner Weise zu dokumentieren oder zu diskutieren:
Danach gehen sie wieder nach Hause zu ihren Männern. Wahrscheinlich mit den Worten: «Ich habe heute leider kein Foto für dich.» Das Fotografieren der perfekten Männerfantasie glamourösen «Höhere Töchter betatschen sich ein bisschen»-Orgien ist nämlich genauso wie die Anwesenheit von Männern verboten. Und allzu ausführlich darüber reden sollte man auch nicht.
Was für eine absolut lächerliche Logik ist das denn bitte? Wenn die vermeintlichen Bi-Faker es ja auf das Coolsein und das Erfüllen einer Männerfantasie abgesehen haben – erstmal dazu: würg – warum dürfen Männer dann nicht zugucken? Warum gibt es keine Bilder oder Filmchen, hmm?
Anscheinend haben manche Leute die Idee, weil sie pornographische Inhalte von lesbischen oder bisexuellen Frauen konsumieren können, die extra für sie produziert worden sind, müssten sich diese Frauen auch im echten Leben konsumierbar und zugänglich machen. Dahinter steckt die Vorstellung, dass Frauen sexuelle Handlungen lediglich nutzen, um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen. Sie haben keine wirklichen Neigungen, sie bedienen nur die Nachfrage des Marktes (aka des Patriarchats). Deshalb drehen sich auch bisexuelle und lesbische Sexualität in den Augen vieler Menschen um den implizierten Mann als Zuschauer und Richter, auch wenn er in diesem Szenario gar nichts zu suchen hat.
Diese verdrehte Logik führt zum Schluss, Frauen wollten, indem sie eine angenommene Nachfrage befriedigen, ihren eigenen Status erhöhen. Die Möglichkeit, es könnte sich um die Phantasie der Frau selbst handeln, die sie zu befriedigen wünscht, kommt hier nicht einmal vor.
Trotz der angeblichen Möglichkeit, sich durch bisexuelle Handlungen gesellschaftliches Kapital zu verschaffen, ist es absolut unglaubwürdig, dass eine grosse Anzahl von Frauen sich allein dafür entscheiden sollte, sich als bi zu auszugeben.
Fangen wir mal damit an, dass Bisexualität überhaupt nicht omnipräsent ist. Und „cool“ schon gar nicht. Biphobia and bi-erasure are alive and well.
Es ist nahezu lächerlich, wie wenig tatsächlich als bisexuell deklarierte Charaktere in der Popkultur vorkommen. Auch wenn wir Charakteren begegnen, die mit Männern und Frauen schlafen, scheint Bisexualität nicht einmal als Option zu existieren. Meistens wird entweder jede homoerotische Neigung als Phase verkauft oder die „hetero“ Vergangenheit muss rigoros abgelegt und geleugnet werden. Oder aber das Wort wird so angestrengt vermieden, dass dauernd Sätze wie „Ich steh nicht so auf Labels“ fallen.
Und das sind „nur“ die Medien! Auch im Alltag müssen sich Bisexuelle tagtäglich mit Vorurteilen auseinandersetzen, dass sie hypersexuell und von Natur aus untreu seien, dass sie sich nicht entscheiden können, dass sie ihre sexuelle Orientierung sich danach richtet, mit wem sie in dem Moment zusammen sind und dass sie nicht wirklich queer wären und damit an Events wie der Pride nur dann etwas zu suchen haben, wenn sie sich in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung befinden.
Selbstverständlich müssen grade solche Upper-Class-Events wie die Skirt-Parties, die sehr strenge Schönheitsideale propagieren, kritisch betrachtet und hinterfragt werden. Aber niemand hat das Recht, sich zur Bi-Polizei aufzuspielen und den eigenen Job als Journalist dazu zu verwenden, die sexuelle Orientierung anderer Menschen lächerlich zu machen und als dekadentes Hobby darzustellen. Diese Art von Gehässigkeit trägt nur zur fortschreitenden Marginalisierung von bi-identifizierten Menschen bei und ist in keinster Weise weniger abstossend als Homophobie.
Für alle, die sich für das Thema interessieren, hier noch ein paar Links:
http://bi-privilege.tumblr.comilege.tumblr.com/internalizedbiphobia