10: Zuger-Affäre

Dear Swiss people,

In der Berichterstattung um die sogenannte „Zuger-Affäre“ ist der Tiefpunkt anscheinend noch lange nicht erreicht. Hier das Neuste von der NZZ am Sonntag:NZZ: Zuger Affäre

Oh boy. Where to start.

Mal ganz von vorne: Erinnern sich noch alle an die guten alten Zeiten, als Vergewaltigung ein Kavaliersdelikt war? Also etwa vor 1992, als Vergewaltigung in der Ehe noch keine Straftat war? Oder vor 2004, bevor es zu einem Offizialdelikt erklärt wurde, also bevor eine Ermittlung ohne Antrag des Opfers von Seiten der Strafverfolgung initiiert werden konnte ? Lang, lang ist’s her. Zumindest aus Sicht von Verfasserin Nicole Althaus, deren Hauptsorge zum Thema Vergewaltigung anscheinend darin besteht, falsche Anschuldigungen zu vermeiden. Und nicht etwa die Straftat selbst oder sowas. Das Klima zwischen den Geschlechtern, so Althaus, ist von dieser Diskussion um den Fall in Zug vergiftet. So toll kann das Verhältnis ja nicht gewesen sein, wenn ein Konflikt ihm den Rest gibt. Sowieso geht es bei der ganzen Situation sowieso nur um den guten Ruf, meint die Verfasserin.

„Der Verdacht auf Missbrauch hat bis in die achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts in erster Linie die Ehre der Frau in den Schmutz gezogen. Heute ruiniert er vorab den Ruf des Mannes.“

Scharfsinnig erkannt. Das Hauptproblem bei Vergewaltigungen ist die Ehre. (Faszinierend übrigens, dass nur diese Anschuldigung das Leben des vermeintlichen Täters ruiniert. Vorwürfe von Mord und Kindesmisshandlung sind anscheinend leichter wegzustecken.) Falsch beschuldigt zu werden ist sicher mindestens so schlimm, wie etwa das Opfer eines sexuellen Übergriffs zu werden UND hinterher im Verfahren durch den Dreck gezogen zu werden. Und so wie es klingt, passierte das auch dauernd. Althaus verweist auf Kachelmann und das Thema der sexuellen Übergriffe an US-Universitäten. Heraufbeschworen wird ein Leben in ständiger Gefahr, jeden Moment Opfer einer falschen Missbrauchsanschuldigung werden zu können. (Von der Angst, Opfer eines tatsächlichen Missbrauchs zu werden, ist freilich nicht die Rede. Von sexueller Gewalt mit männlichen Opfern sowieso nicht.) Diese Angst nimmt anscheinend die absonderlichsten Formen an:

„«Ich würde es heute nicht mehr wagen, mit einer Frau allein einen Lift zu betreten», sagte vergangenen Mittwoch etwa ein Anrufer in der Diskussionsrunde auf TeleZüri. Das Risiko als Vergewaltiger wieder auszusteigen, sei zu gross.“

Wer könnte an solchen Quellen zweifeln. Schaut man sich dagegen wissenschaftliche Studien an, sieht die Sache schon anders aus. Eine gute Ressource ist zum Beispiel die Website von MAAN (Men Against Abuse Now), eine Gruppe an der Universität Stanford. Da Althaus auch die Situation in Amerika ins Spiel bringt, erscheint es legitim, auch auf amerikanische Statistiken zu verweisen: Nur etwa 2% aller Vergewaltigungsvorwürfe stellen sich als unzulänglich oder falsch heraus; die Rate ist vergleichbar mit jedem anderen Verbrechen. Hingegen kommt die Vermutung eines falschen Vorwurfes viel häufiger vor, weswegen etwa 40% überhaupt nicht polizeilich gemeldet werden (aber beispielsweise im Spital erfasst, daher das Wissen um das Vorkommen).

Quelle: http://web.stanford.edu/group/maan/cgi-bin/?page_id=297

Zurück zu Althauser und ihrem Fazit:

Nicole Althaus

Wir gehen also (noch) nicht davon aus, dass es sich um eine falsche Anschuldigung handelt. Aber trotzdem geht es darum, dass es eben diese falschen Vorwürfe sind, welche die prekäre Geschlechterbalance akut bedrohen. Und nicht etwa die sexuellen Übergriffe. Ich weiss ja nicht, auf welchem Planeten Frau Althaus lebt, aber die Zeiten, in denen Frauen als mitschuldig an ihrem eigenen Missbrauch gesehen wurden, sind keineswegs vorbei. Ich würde ihr empfehlen, mal den Begriff „victim blaming“ zu googlen, anstatt sich solche Statements aus den Fingern zu saugen. Oder einfach mal die Kommentare unter ihrem eigenen Artikel lesen, das reicht auch schon.

5 Kommentare

  1. […] nach einem furchtbaren Wochenende mit widerlicher Berichterstattung über Weltfrauentag und die Zuger-Affäre in Form von Yvonne Feri (SP) und ihrem wundervollen Artikel auf […]

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  2. […] so deren Weiterleben, indem sie anderen Frauen alles andere als solidarisch gegenüberstehen, siehe Michele Binswanger oder Simone […]

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  3. […] die Zeitung auf und erfährt, dass anscheinend ein potentieller Fehltritt einer einzigen Frau den Feminismus um Jahrzehnte zurückwerfen soll, oder dass wieder “Germany’s Next Topschlampe” gesucht wird, oder man liest […]

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  4. […] wer unfreiwillig kinderlos bleibt” ist Nicole Althaus, bereits bekannt durch ihre eher zweifelhaften Ansichten zur Zuger Affäre, ebenfalls veröffentlicht in der NZZ am […]

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  5. […] mal behauptet, Frauen hätten nichts besseres zu tun, als anderen Vergewaltigungen anzuhängen, ist uns ja bereits bekannt. Allerdings liefert Matuschek hier kein Motiv für eine solche Verleumdung. Inwiefern profitiert […]

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